Nachhaltiger Tourismus - ein bislang unerfülltes Versprechen

Tourismus nachhaltig machen - die große Herausforderung

gehört zur modernen Lebensweise und macht Spaß! Entsprechend sind immer mehr Menschen unterwegs, um andere Städte zu erkunden, Natur zu erleben oder sich einfach eine Auszeit vom Alltag zu gönnen. Bis zum Einbruch durch die Covid-Pandemie wuchs die Reisebranche jährlich um 4 Prozent, über 1,5 Milliarden Menschen waren 2019 unterwegs.

Jochen Dallmer

Jochen Dallmer ist Politikwissenschaftler und lebt in Berlin. Er arbeitet als freiberuflicher Berater im Bereich Nachhaltigkeit und Bildung. Er ist Teil des "Travel Different for Future"-Projektteams als Berater und Wissenschaftler.

Tourismus hat damit einen Anteil von ca. 10 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und verursacht auch ca. acht Prozent des globalen CO-2 Ausstoßes.

Tourismus hat damit einen Anteil von ca. 10 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und verursacht auch ca. acht Prozent des globalen CO-2 Ausstoßes.

Reisen und Tourismus verbraucht also sehr viele Ressourcen und geht häufig mit weiteren ökologischen und sozialen Nebenwirkungen einher. Typische Auswirkungen in beliebten Ferienzielen sind ein hoher Wasserverbrauch und die Bebauung von Natur. Viel Müll wird erzeugt, Lebensmittel werden verschwendet u.v.m. Vereinfacht gesagt zerstört der Tourismus oft das, was Reisende eigentlich suchen. Wie kann das verändert werden?

Als Teil der allgemeinen Bemühung, nachhaltige Entwicklung voran zu bringen haben die meisten Akteure der Reisebranche inzwischen erkannt, dass etwas getan werden muss. Zugleich wächst die Nachfrage der Gäste nach mehr Angeboten für nachhaltigen Tourismus, denn Nachhaltigkeit wird ein insgesamt wichtigeres Thema

Wie kann Tourismus nachhaltiger werden?

Die Reisebranche arbeitet bisher vor allem daran, das bestehende Modell des Tourismus ökologisch nachhaltiger zu gestalten. Jeder Verband, jedes Netzwerk und fast jedes Unternehmen hat ein entsprechendes Konzept entwickelt und engagierte Absichtserklärungen verfasst. Damit ist das Thema nun auf der Agenda, aber ganz konkrete, und vor allem konsequente, Umsetzungen stehen bisher meist noch aus.

So gibt es eine ganze Reihe von innovativen Projekten und vielen guten Beispielen, aber in der Breite hat sich bislang doch noch eher wenig getan. Entsprechend fällt die bisherige Gesamtbilanz eher schwach aus: Zwischen 2010 und 2019 hat das enorme Gesamtwachstum der Tourismusbranche jegliche Ansätze zur Einsparung von Ressourcen mehr als ausgeglichen.

Bisher sind jene Ansätze am populärsten, bei denen es sich für Unternehmen unmittelbar lohnt, nachhaltiger zu wirtschaften. Dies gilt z.B. wenn Energie oder Wasser gespart wird, denn das ist auch gut für die Bilanz. Wir kennen das als Gast im Hotel, wenn wir gebeten werden, die Handtücher mehrere Tage zu benutzen. Das spart Wasser, Energie, Waschmittel - ist also gut für die Umwelt und das Hotelbudget. In anderen Bereichen ist eine Steigerung der Nachhaltigkeit allerdings mit deutlichen Investitionen verbunden oder im dauerhaften Betrieb aufwändiger. Dies gilt etwa wenn eine Hotelanlage ökologisch modernisiert wird oder soziale Standards erhöht werden, z.B. den Einheimischen bessere Arbeitslöhne bezahlt werden. Hier finden die Verbesserungen bisher entsprechend langsamer statt.

Im Bereich des Massentourismus beruht die größte Hoffnung auf innovativen und nachhaltigen Technologien. Der globale Branchenverband World Travel and Tourism Coucil (WTTC) stellt in seinem zentralen Bericht zum Thema Nachhaltigkeit eine drastische CO2-Minderung ab dem Jahr 2030-2035 in Aussicht. (1) Dann sollen neue Technologien ermöglichen, dass Fliegen klimaneutral wird, Kreuzfahrtschiffe ohne Abgase unterwegs sind und auch anderweitig Emissionen vermieden werden können. Diese Prognose beinhaltet einen gehörigen Optimismus und blendet zudem viele andere Bereiche aus, etwa soziale Aspekte oder die Grundproblematik des ökonomischen Wachstums. 

Nachhaltiger Tourismus - Träume, Ambitionen und Realitäten

Wo von nachhaltigem Tourismus gesprochen wird steht das Geschäftsmodell an sich aber meist nicht zur Disposition, das business as usual soll weiterlaufen, aber grüner werden. So kommt es zu Effekten, die sich als "greenwashing" bezeichnen lassen: Bestimmte Angebote werden etwas nachhaltiger als bisher betrieben und damit als nachhaltiger Tourismus beworben. Einer kritischen Überprüfung, etwa dem genauen Blick auf die Klimabilanz oder die Nebeneffekte des Reisens, halten solche Ansätze aber nicht stand.

Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Kreuzfahrtbranche. Kreuzfahrten sind an sich nicht nachhaltig und können dies aufgrund der Rahmenbedingungen auch kaum sein. Riesige Schiffe verbrauchen enorme Ressourcen und da viele der Reisen in anderen Teilen der Welt stattfinden, ist die Kreuzfahrt zudem noch mit einer An- und Abreise per Flugzeug verbunden. Auch wenn inzwischen einige Kreuzfahrtschiffe mit einem weniger klimaschädlichem Antrieb (Flüssiggas statt Schweröl) ausgestattet sind (dies sind bisher aber nur wenige der über 300 Kreuzfahrtschiffe weltweit), so bleibt die Gesamtbilanz einer Kreuzfahrtreise weiterhin verheerend. (2)

Andere Urlaubsangebote, die als nachhaltig oder verantwortungsbewusst gekennzeichnet sind, finden sich unter den Schlagworten wie Ecotourism in den Katalogen des gehobenen Reisesegments. Sie werden oft als exklusive Fernreisen angeboten: Wandern im Himalaya oder in den Anden, Radtouren auf Kuba, Kulturreisen durch Indien. Diese Reisen mögen etwas von verantwortungsvollem und bewusstem Reisen haben, da sie besondere Natur- und Kulturerlebnisse bieten. Aber sie sind häufig Fernreisen für zwei Wochen und bieten einen hohen Komfortstandard. Sie sind also keineswegs nachhaltig, wenn man die Gesamtbilanz ermittelt und strenge Maßstäbe anlegt, was den Ressourcenverbrauch angeht.

Nachhaltiger Tourismus? Lasst uns anders Reisen!

Damit sich wirklich etwas verändert braucht es einen grundlegenden Wandel in der Form, wie Tourismus heutzutage organisiert ist. Reisen war lange Zeit ein Privileg für nur wenige Menschen. Heutzutage ist es für viele Menschen einfach und erschwinglich, aber der daraus entstandene Massentourismus zerstört häufig das, was wir eigentlich beim Reisen suchen. Wird die Maxime von Nachhaltigkeit ernst genommen, sollte aus vielen Gründen folgendes im Fokus stehen: Erstens: weniger Reisen, vor allem weniger Flugreisen, Fernreisen und Kreuzfahrten. Zweitens: wenn Fernreisen anstehen, dann gerne länger vor Ort bleiben. Auf diese Weise bekommen wir zudem einen besseren Eindruck und lernen ein Land und die Menschen mit Kultur, Klima und Landschaft, etc. wirklich kennen. Am Ende haben wir sicherlich ein besseres Reiseerlebnis und einen schöneren Urlaub!

Anders Reisen bedeutet auch mehr Urlaub im eigenen Land zu verbringen oder Reisen in der eigenen Region zu unternehmen. Eine selbst organisierte Tour im Heimatland per Fuß, Fahrrad oder Boot kann mehr Abenteuer und Erlebnisse bieten als viele Pauschalangebote aus dem Reisebüro!

Die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus ist eine Aufgabe für uns alle, die wir gerne reisen. Wir müssen ein gutes Gleichgewicht finden, wie viel Tourismus in welchen Formen wir wollen, brauchen und vertragen. Und wir müssen neue Formate finden, um das, was wir am Reisen so mögen, auf anderen Wegen neu zu entdecken.

Quellen

  1. WTTC 2021: A Net Zero Roadmap for Travel & Tourism. (14.3.2022)
  2. Als Nachhaltig gelten dann auch Expeditionskreuzfahrten in der Antarktis, für 1000 € pro Person und Tag, die Fluganreise kommt noch hinzu! Siehe https://travindy.com/2021/12/interview-hans-lagerweij/ (7.3.2022)