Umweltfreundlich Reisen? Finden wir gut, machen wir aber kaum!

Die meisten Menschen reisen gerne und ihnen liegt zugleich die Umwelt am Herzen. Viele Menschen sagen entsprechend, dass sie gerne nachhaltiger reisen würden, aber bisher tut das kaum jemand. Warum ist das so und wie können wir es schaffen, umweltfreundlicher zu reisen?

Jochen Dallmer

Jochen Dallmer ist Politikwissenschaftler und lebt in Berlin. Er arbeitet als freiberuflicher Berater im Bereich Nachhaltigkeit und Bildung. Er ist Teil des "Travel Different for Future"-Projektteams als Berater und Wissenschaftler.

Die Kund:innen sollten verstärkt nach nachhaltigen Angeboten und Optionen fragen, denn die Nachfrage ist eine wichtige Triebkraft für Veränderungen.

Die Lücke zwischen dem, was wir sagen und wie wir reisen

Die Deutschen sind ein reisefreudiges Volk und besonders gerne reisen sie in andere Länder. Im Jahr 2018 unternahmen sie 71 Millionen Urlaubsreisen (länger als 5 Tage), davon 41% mit dem Flugzeug. 51,1 Millionen Reisen gingen ins Ausland, hierbei lag der Anteil der Reisen mit einem Flugzeug sogar bei 56%. (1) Zugleich sind die Deutschen auch als umweltbewusst bekannt und so würden sie auch beim Urlaub gerne nachhaltig handeln, aber irgendwie klappt es bisher nicht so ganz.

Eine aktuelle Studie (2019) im Auftrag des Umweltministeriums (BMU) kommt zu dem Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland einen umweltfreundlicheren und sozial nachhaltigeren Urlaub befürwortet, aber weit weniger als 10 Prozent dies bei der Buchung und Gestaltung ihrer Reisen tatsächlich umsetzen. (2)

Mit dieser Lücke zwischen Wollen und Handeln sind die Deutschen jedoch nicht allein. Ähnliche Ergebnisse zeigen internationale Umfragen und Studien. In einer Umfrage in den USA im Jahr 2019 gaben 42 % der Befragten an, dass bei der Auswahl eines Urlaubs Nachhaltigkeit eine ihrer Prioritäten sei. Die gleiche Umfrage ergab jedoch auch, dass insgesamt nur 15 % der Befragten überhaupt ein solides Verständnis von Nachhaltigkeit hatten. Die Menschen sind also für Nachhaltigen Tourismus, auch wenn sie teilweise gar nicht so genau wissen, was das bedeutet und sich dann auch nicht so recht an ihre eigene Maßgabe halten. Die Buchungen sprechen jedenfalls eine deutliche Sprache: nachhaltiger Tourismus ist immer noch eine Randerscheinung. Sowohl der Massentourismus mit All-Inclusive, als auch Kreuzfahrten und Fernreisen, sind weltweit im Trend. Vor allem der Ferntourismus florierte bis 2019 enorm - und eine allgemeine Fortsetzung des Wachstumstrends nach der Covid-Krise wird in der Tourismusbranche erwartet.

Warum es nicht so einfach ist mit dem nachhaltigen Tourismus

Wenn es um die konkrete Auswahl und Buchung von Reisen geht, spielen Aspekte der Nachhaltigkeit bisher nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn Menschen anderes behaupten. Doch warum ist das so? Es gibt ein paar wesentliche Punkte, die dazu beitragen:

Zunächst einmal gilt die Urlaubszeit als eine Zeit, in der man sich selbst verwöhnt, in der man sich etwas gönnen will. Wer sein tägliches Leben mit anstrengender Lohnarbeit verbringt, will sich entspannen und genießen, sich aber nicht mit möglichen Einschränkungen zugunsten der Umwelt belasten. Wer zum Vergnügen umherreist, möchte einzigartige Erfahrungen machen und ist daher versucht, Umweltaspekte öfter mal beiseite zu lassen.

Zugleich spielen auch gesellschaftliche Aspekte eine Rolle: Wie und wo wir unseren Urlaub verbringen, hat auch mit unserem Status zu tun. Unsere Berichte und Fotos aus dem Urlaub wollen von Freund:innen und Kolleg:innen anerkannt und möglichst beneidet werden. Da zählt ein Strand in der Karibik meist mehr als die Ostsee und New York punktet besser als Frankfurt.

Nicht zuletzt kommt der Faktor Geld zum Zuge: Obwohl Nachhaltigkeit im Tourismus als sehr erstrebenswert gilt, fällt es schwer eventuelle Mehrkosten aufzubringen. Auch hier gibt es einen Widerspruch zu den Aussagen. Umfragen zufolge sind bis zu 66 % der Reisenden bereit, mehr zu bezahlen. (3) Dies spiegelt sich jedoch keineswegs in den realen Buchungszahlen wider. Offenbar zählen dann andere Kriterien wie die Sterneklassifizierung, die Lage, das Ausflugspaket oder die Zimmerkategorie doch mehr.

Aber selbst für jene, die diese Hürden meistern, ist es gar nicht so einfach, den Urlaub konsequent nach nachhaltigen Kriterien zu gestalten. Es gibt viele Aspekte, die zu berücksichtigen sind (Anreise, Unterkunft, Verpflegung, Aktivitäten vor Ort), aber es gibt kaum eine einheitliche Kennzeichnung und Zertifizierung. Zudem werden die Informationen von jeder Buchungsstelle oder jedem Reiseunternehmen anders dargestellt, ein Vergleich ist also alles andere als leicht.

Wie wir die Lücke überwinden und nachhaltiger reisen können

Die obigen Informationen zur Lücke zwischen Wissen und Handeln sollten uns keineswegs desillusionieren oder gar frustrieren. Nehmen wir sie als Herausforderung, um nachhaltiges Reisen einfacher zu machen und den guten Vorsätzen auch gute (Reise-)Taten folgen zu lassen. In einer Umfrage gaben 61 % der Befragten an, dass sie in Zukunft gerne nachhaltiger reisen würden, sogar 80 % wollen dem Thema zumindest mehr Aufmerksamkeit schenken. Vor allem jüngere Reisende (18-34) zeigen hier eine hohe Motivation. (4) Diese Zahlen sprechen dafür, dass nachhaltiger Tourismus erst am Anfang steht und kein kurzfristiger Trend ist.

Eine To-Do-Liste für mehr nachhaltigen Tourismus umfasst die folgenden Punkte:

  • Es muss klarere Kriterien dafür geben, was nachhaltiger Tourismus ist. Hier muss die Tourismusindustrie handeln. Unabhängige Stellen, z.B. Behörden oder Organisationen, aber sollten diesen Prozess überwachen. Dies funktioniert beim Biosiegel und den Energielabels recht gut, warum also nicht auch beim Reisen?
  • Informationen zur Nachhaltigkeit sollten klar dargestellt werden. Eine standardisierte Kennzeichnung wäre hilfreich, z.B. Co2-Bilanzen, damit "Greenwashing" schnell entlarvt werden kann.
  • Die Kund:innen (wir, die Reisenden!) sollten verstärkt nach nachhaltigen Angeboten und Optionen fragen, denn die Nachfrage ist eine wichtige Triebkraft für Veränderungen.
  • Wir Reisenden sollten nicht am falschen Ende sparen. Wenn Nachhaltigkeit uns ein Anliegen ist, dann müssen wir bereit sein, dafür ein wenig mehr zu bezahlen, so wie für Komfort, Sicherheit und Qualität auch. Es lohnt sich, ein wenig mehr auszugeben.
  • Wir müssen uns selber informieren und unsere Ideen, Fragen, Beispiele und Urlaubserlebnisse zum Thema nachhaltiger Tourismus mit anderen teilen, im Freundes- und Bekanntenkreis, in der Familie ebenso wie auf der Arbeit oder in der Uni/Schule.

Um Tourismus nachhaltiger zu machen wird es nicht ausreichen, die bisherigen Formate ökologisch zu optimieren. Wir müssen auch die Idee von Reisen, Urlaub, Tourismus neu definieren. Das derzeitige Ideal, um die Welt zu rasen, um die 1001 Orte zu sehen, die jeder gesehen haben muss, ist ein Lebensstil aus dem letzten Jahrhundert. Das ist ökologisch nicht vertretbar und zudem auch weniger reizvoll als gedacht, denn nicht wenige dieser Orte sind inzwischen zur reinen Kulisse für Touristen geworden. Wir sollten unsere Verhaltensmuster ändern und neue Arten des Reisens ausprobieren. Einige der besten Ferien könnten in der Nähe verbracht werden. Wir müssen es ausprobieren, herausfinden und weitersagen!

Eine andere Art des Reisens, nachhaltig und zukunftsfähig, geht einher mit einer anderen Lebensweise in der Zukunft. Die beschriebene Lücke zwischen Wissen, Wollen, Handeln gilt bisher in vielen Bereichen: Im Allgemeinen äußern die Menschen ihre Motivation für ein nachhaltiges Verhalten (Konsum, Mobilität, Wohnen usw.), aber die realen Zahlen folgen nicht entsprechend. Lasst uns also gemeinsam aktiv werden und Wege in eine nachhaltige Zukunft entdecken - auch beim Reisen: Travelling different for Future!

Quellen

  1. UBA (2019): Schwerpunkt Magazin Fliegen, S. 32 (10.3.2022)
  2. NIT (2019): Nachhaltige Urlaubsreisen: Bewusstseins- und Nachfrageentwicklung. (10.3.2022)
  3. CREST 2019, Trends and Statistics, Seite 4-5 (9.3.2022)
    WTTC 2021: A Net Zero Roadmap for Travel & Tourism, Seite 9. (7.3.2022)
  4. CREST 2020, Trends and Statistics, Seite 7. (8.3.2022)