Nachhaltige Entwicklung

Alle reden über Nachhaltigkeit, aber was genau heißt eigentlich Nachhaltigkeit? Wie nachhaltig sind wir bereits? Was sind praktische Ansätze für mehr Nachhaltigkeit und was können wir einzeln und gemeinsam tun?

Jochen Dallmer

Jochen Dallmer ist Politikwissenschaftler und lebt in Berlin. Er arbeitet als freiberuflicher Berater im Bereich Nachhaltigkeit und Bildung. Er ist Teil des "Travel Different for Future"-Projektteams als Berater und Wissenschaftler.

Würden alle Menschen so leben wie durchschnittlich in Deutschland oder Slowenien, so bräuchten wir sogar 3 Planeten! Wir haben aber bekanntlich nur einen, die Problematik wird also sehr deutlich.

Was heißt Nachhaltige Entwicklung?

Nachhaltige Entwicklung ist seit vielen Jahren ein Leitprinzip der Politik. Die klassische Definition lautet: "Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen."

Dies beschreibt die Einsicht, dass ein begrenzter Planet nur begrenzte Ressourcen bietet und diese sorgsam genutzt, sowie gerecht verteilt werden sollten. Dabei geht es zum einen um die natürlichen Ressourcen, die uns nicht unendlich zur Verfügung stehen und daher sparsam genutzt werden sollten, damit auch zukünftige Generationen von ihnen profitieren können. Zum anderen geht es um die Umweltbelastungen, die durch die Nutzung von Ressourcen entstehen (Müll, Abgase, etc.), denn auch in dieser Hinsicht hat der Planet Erde nur eine begrenzte Kapazität, Belastungen und Verschmutzungen aufzunehmen. Dies zeigt sich am stärksten im Fall des Klimawandels, welcher durch die Emissionen verursacht wird, die wir durch das Verbrennen von Öl, Kohle, Gas erzeugen. Aber auch in anderen Bereichen wird der Rahmen der Nachhaltigkeit deutlich überschritten, siehe mehr dazu unten.

Diese Probleme sind inzwischen weitgehend bekannt und seit den 1990er Jahren wird viel über Nachhaltige Entwicklung geredet. Es wurde auch einiges getan, aber bisher noch nicht ausreichend viel. Inzwischen zeigt sich deutlich, dass auch heutige Generationen die Auswirkungen der nicht-nachhaltigen Lebensweise noch erleben werden: Klimaveränderungen haben schon jetzt enorme Folgen für ganze Regionen. Zunehmende Hitzeperioden und Trockenzeiten führen zu mehr Waldbränden und Ernteausfällen. Vermehrte schwere Unwetter führen zu Überflutungen. Solche Effekte der Klimaveränderungen beeinträchtigen also nicht nur die Natur, sondern erschweren und bedrohen ganz konkret die Lebensbedingungen vieler Menschen. (1)

Dabei treten die Veränderungen zunächst besonders in Ländern des globalen Südens auf und treffen dort die ökonomisch Armen am stärksten. Damit untergraben sie das Ziel nachhaltiger Entwicklung gleich doppelt, nämlich die Bedürfnisse von Menschen im Heute zu erfüllen und für Zukunft dauerhaft zu sichern, bzw. zu verbessern.

Wo stehen wir? Drei anschauliche Konzepte zur Nachhaltigkeit

Es gibt eine Vielzahl an Forschungen zum Thema Nachhaltigkeit. Einige Modelle machen den heutigen Zustand der Welt hinsichtlich nachhaltiger Entwicklung gut anschaulich. Drei davon stellen wir kurz vor:

Zunächst ein strikt wissenschaftliches Modell, das international als Standard gilt und doch zugleich anschaulich und verständlich ist: Die planetaren Grenzen. Es beschreibt anhand neun zentraler Dimensionen, welche Kapazitäten das System Erde bietet, und wie wir als Menschheit damit derzeit umgehen. In mehreren Bereichen überschreiten wir die Kapazitäten des Planeten deutlich, unter anderem beim Klimawandel, bei der zu intensiven Nutzung von Böden (z.B. Einsatz von Dünger und Pestiziden), sowie hinsichtlich des rapiden Artensterbens von Tieren und Pflanzen. Diese Übernutzung, so die zahlreichen AutorInnen der Forschungsstudien, verändert den Planeten und gefährdet damit die Grundlage für die fortwährende und sichere Entwicklung der Menschheit! (2)

Werden diese Grenzen überschritten, so wirkt sich das auf das System aus und es verändert sich das Klima mit enormen Auswirkungen für Natur und Menschen.

Ein anderes Modell, welches die Übernutzung sehr anschaulich verdeutlicht, ist der sogenannte ökologische Fußabdruck. (3) Hier werden die verbrauchten Ressourcen und entstandenen Umweltbelastungen umgerechnet in die Fläche, die nötig wäre, um diese zu erzeugen bzw. aufzunehmen. Wie wir wohnen, was wir verbrauchen, was wir essen, wie wir uns fortbewegen und vieles mehr wird zusammengerechnet und zeigt letztendlich, was diese Lebensweise bedeutet: weltweit werden derzeit pro Jahr 1,7 Planeten benötigt. Würden alle Menschen so leben wie durchschnittlich in Deutschland oder Slowenien, so bräuchten wir sogar 3 Planeten! ()4 Wir haben aber bekanntlich nur einen, die Problematik wird also sehr deutlich.

Ein weiteres Modell, welches auf ähnlichen Berechnungen beruht ist der "Erdüberlastungstag". Hier wird ermittelt, an welchem Tag im Jahr wir im Prinzip den nachhaltigen Rahmen verlassen, es wird also der ökologische Fußabdruck auf das Kalenderjahr umgerechnet. Im Jahr 2021 war es weltweit der 29. Juli, in Deutschland bereits der 5. Mai. (5)

Welcher Weg führt zu mehr Nachhaltigkeit?

Nehmen wir die Ergebnisse der Forschung ernst, so zeigt sich, dass sich grundlegend einiges ändern muss, um eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Wir müssen besser darin werden Umwelt, Natur, Tiere, also die gesamte Mitwelt, sorgsamer zu behandeln. Und wir müssen das, was wir haben, global gerechter verteilen. Um nachhaltiger zu werden gibt es viele Ideen, dabei sind zwei verschiedene Ansätze zu benennen.

Das derzeit populärste Konzept für mehr Nachhaltigkeit basiert auf technologischen Lösungen. Ökologisch intelligente Innovationen werden den Weg zu einer emissionsfreien Gesellschaft ermöglichen, während die Wirtschaft weiterwachsen und auch unser Lebensstil weitgehend unverändert bleiben kann. "Grünes Wachstum" lautet das Zauberwort. Das klingt sehr vielversprechend, ist aber bisher vor allem eine optimistische Vision, die über eine nur dünne Grundlage verfügt.

Neben der Entwicklung von besseren Technologien, der smarteren Nutzung von Rohstoffen, mehr Recycling, etc. müssen wir daher auch nach dem Gesamtniveau des materiellen Wohlstands fragen. Der Ansatz der Suffizienz thematisiert, dass wir uns vom Wachstumsmodell lösen und herausfinden sollten: Wie viel ist genug für ein gutes Leben? (6) Die derzeitige Orientierung an einer sehr materialistischen Lebensweise wird auch mit grünen Technologien kaum nachhaltig werden können - und ist vielleicht ohnehin gar kein Garant für ein gutes und glückliches Leben.

Um nachhaltige Entwicklung zu erreichen, müssen wir zudem stärker die Frage der sozialen und wirtschaftlichen Gerechtigkeit auf globaler Ebene angehen. Wir müssen unsere Ressourcen und unser Wissen besser miteinander teilen, um Menschen die Erfüllung der Grundbedürfnisse zu ermöglichen.

Was können wir tun, um zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen?

Wie wir gesehen haben, ist nachhaltige Entwicklung eine große Aufgabe, die nur gemeinsam erreicht werden kann. Ein wichtiger Teil ist unser eigenes Verhalten: Wie kann ich im Alltag weniger konsumieren und bewusster handeln? Der andere wichtige Teil ist aber auch das gemeinschaftliche Agieren und die Verantwortung von Politik und Wirtschaft. Hier ist es wichtig, gemeinsam aktiv zu werden und Einfluss zu nehmen, um Nachhaltigkeit schneller voranzubringen.

Für den nachhaltigen Tourismus, das Hauptthema dieses Projekts, bedeutet mehr Nachhaltigkeit zweierlei. Einerseits muss Reisen dringend energieeffizienter, grüner, sauberer werden. Aber wir müssen auch Wege finden, anders zu reisen, die Begriffe von Urlaub und Tourismus neu zu erfinden. Wie kann das aussehen? Lasst es uns gemeinsam herausfinden!

Quellen

  1. Aktuelle Erkenntnisse zum Klimawandel finden sich im Bericht des IPCC.
    IPCC, 2021: Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung:
    https://www.de-ipcc.de/media/content/AR6-WGI-SPM_deutsch_nicht-barrierefrei.pdf (7.4.2022)
  2. Einen guten Überblick zum Konzept mit vielen Quellenhinweisen bietet der entsprechende Wikipedia-Artikel.
  3. Informationen zum ökologischen Fussabdruck: Home - Global Footprint Network (international),
    Es gibt verschiedene Rechner im Internet, um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu ermitteln.
    Measure your impact | WWF (verschiedene Länder und Sprachen)
    https://www.fussabdruck.de/fussabdrucktest 
    http://www.footprintcalculator.org 
    (Aufgrund verschiedener Kalkulationsweisen und Grunddaten kommen diese teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen).
  4. Alle Länderdaten zur Übersicht: https://data.footprintnetwork.org 
  5. Siehe: About Earth Overshoot Day (12.3.2022). Deutsch: Earth Overshoot Day - BUNDjugend
  6. Eine gute Einführung zum Thema Suffizienz und Postwachstum auf Deutsch findet sich hier:
    Suffizienz_Gutes_Leben_fuer_Alle.pdf
    Das Standardwerk zum Thema: Tim Jackson (2009/2017): Wohlstand ohne Wachstum.